Projekte - Bund Naturschutz, Kreisgruppe Mühldorf

"Beispielhaftes Naturschutzprojekt im Landkreis Mühldorf am Inn"

Bericht über die Pressefahrt des Bund Naturschutz nach Jettenbach

Am 15. Mai 1996 um 11.00 Uhr war es endlich so weit. Vertreter von Presse, Funk und Fernsehen konnten sich vor Ort von unserem Naturschutzprojekt am Grafengarser Wildbach überzeugen. Die gute Zusammenarbeit von Graf zu Toerring-Jettenbach, der Gemeinde, dem Wasserwirtschaftsamt Rosenheim, der Oberen und Unteren Naturschutzbehörde, einem Rinderzüchter und nicht zuletzt dem Bund Naturschutz machte dieses Pilotprojekt im Landkreis möglich.

Die ersten Maßnahmen sind auf der vom Bund Naturschutz gepachteten Fläche bereits durchgeführt und konnten stolz den Pressevertretern präsentiert werden: eine mit heimischen Sträuchern hinterpflanzte Benjeshecke, Entbuschungsmaßnahmen und die Beweidung des Grundstückes durch fünf schwarzgelockte, zottelige Galloways. Sie sollen ein Verbuschen der Wiesen verhindern und durch Tritt und Fraß Bereiche mit niedriger Vegetation und offenen Bodenstellen schaffen. Durch die Pressefahrt wurde das Gesamtprojekt einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt. Das bayerische Fernsehen berichtete darüber in der Rundschau, der örtliche Fernsehsender ISA-TV brachte einen 4-minutigen Bericht im Abendprogramm und im Mühldorfer und Altöttinger Anzeiger sowie in der Süddeutschen Zeitung konnten sich die Leser in ausführlichen Berichten über das Pilotprojekt informieren.

Galloways als Landschaftspfleger

Sie fressen für den Artenschutz - neun Galloways betätigen sich als Landschaftspfleger bei einem modelhaften Naturschutzprojekt des Bund Naturschutz. Seit Mai 1996 grasen die Rinder in der Gemeinde Jettenbach, um in einem brachliegenden Talgrund einen vielfältigen Lebensraum für seltene Tierarten zu schaffen.

Nach der Aufgabe der landwirtschaftlichen Nutzung, hatte sich im Talraum ein Mosaik aus Hochstaudenfluren, Schilf- und Brennesselbeständen, sowie verschiedenen Wiesentypen entwickelt. Durch starken Gehölzanflug war bis zum Beginn des Projektes bereits auf etwa einem Drittel des Gelände ein Wald aus verschiedenen Weidenarten aufgewachsen. Da die Gemeinde ein Fortschreiten der Bewaldung ablehnte und eine wirtschaftliche Nutzung unrentabel erschien, wurde die Fläche (ca. 10 ha) vom Eigentümer, dem Graf zu Toerring - Jettenbach, für Naturschutzzwecke zur Verfügung gestellt. Die Kreisgruppe Mühldorf des Bund Naturschutz erarbeitete ein Pflegekonzept mit dem Ziel, durch eine möglichst extensive Pflege die Bewaldung zu verhindern und die Lebensraumvielfalt zu vergrößern.

Einen Schwerpunkt des Konzeptes bildete die Beweidung eines rund 6 ha großen Teilbereichs. Insgesamt werden neun einjährige Rinder auf dem Gelände gehalten.

Das Projekt hat modelhaften Charakter , da bisher die Auswirkungen einer solchen Beweidung auf Flora und Fauna des Feuchtgrünlandes nur selten im Detail untersucht wurde. Zur Dokumentation der Veränderungen auf der Fläche wurden in verschiedenen Pflanzengesellschaften acht Probeflächen angelegt, auf denen die Vegetationszusammensetzung und der Verbiß der einzelnen Pflanzenarten regelmäßig erhoben werden. Daneben wird die Bestandsentwicklung einiger Tiergruppen (Heuschrecken, Dungkäfer, Libellen, Amphibien, Reptilien und Vögel) verfolgt.

Die ersten Ergebnisse sind überaus erfolgversprechend. Wie vorgesehen ist ein vielfältiges Vegetationsmosaik entstanden. Einige Tierarten wie die Gelbbauchunke oder die Zauneidechse haben sich vom Rand in die Fläche hinein ausgebreitet. Im Bereich eines vor der Beweidung völlig zugewachsenen kleinen Baches sind offenen Wasserflächen entstanden, an denen 13 Libellenarten, darunter Seltenheiten wie Kleine Pechlibelle und Südlicher Blaupfeil, die bisher im Gebiet nicht vorkamen, bei der Eiablage beobachtet wurden.

Der Fraß der Rinder erfolgt überaus selektiv. Einige Pflanzenarten wie Schilf, Rohrglanzgras, Kohlkratzdistel , sowie viele Süß- und manche Sauergräser wurden während des ganzen Sommers bevorzugt. Viele Hochstauden wie Blutweiderich, Baldrian, Mädesüß und Minze zeigten hingegen keinerlei Fraßspuren . Dies begünstigt ein attraktives Aussehen der Weideflächen im Hochsommer, wenn diese Stauden stellenweise ein wahres Blütenmeer bilden. Andere Pflanzenarten wurden nur teilweise gefressen, so beispielsweise Him- und Brombeeren oder die Acker-Kratzdistel, bei der die Blütenköpfe abgebissen wurden. Junge Brennesseln blieben verschont, ältere Bestände hingegen intensiv beweidet, wobei oft die Blätter gefressen und die Stengel übrig gelassen wurden. Pestwurz- und junge Erlenbestände zeigten den Sommer über keinen Verbiß, wurden im Herbst jedoch plötzlich völlig abgefressen.

Die Rinder schälten Stämme von Sal- und Silberweiden bis zu einem Durchmesser von etwa 25 cm, verschmähten jedoch Birken- und Erlenrinde. Da auf der Fläche die Gehölze zurückgedrängt werden sollen, ist die Schädigung der Bäume vorläufig erwünscht. Falls erforderlich, läßt sich das Schälen der Stämme jedoch durch die Zugabe von Mineralfutter unterbinden.

Auch wenn die langfristigen Auswirkungen der Beweidung auf die Vegetationsentwicklung abgewartet werden müssen, deuten die bisherigen Ergebnisse darauf hin, daß die extensive Beweidung nährstoffreichen Feuchtgrünlandes mit Galloways eine kostengünstige Form der Pflege darstellt, die das optische Erscheinungsbild begünstigt und die Vielfalt der Lebensraumstrukturen vergrößert.

Inzwischen ist auch die Renaturierung des Grafengarser Wildbaches zur Zufriedenheit der Gemeinde und der Anlieger durch das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim abgeschlossen. Durch die Aufweitung des Bachlaufes, den Einbau von Faschienen und die Unterstützung der natürlichen Mäanderentwicklung kann sich nun ein natürlicher Wasserlauf entwickeln. Die Anlage von Ruhigwasserzonen im Wechsel mit schneller fließenden Bereichen ermöglichen ein großes Spektrum an unterschiedlichen Feuchtlebensräumen für Tiere aller Art. Die bisherigen Kartierungen der Vogelwelt lassen eine Ausweitung der Brutvogelarten erwarten. Ob das Gerüst auf der Brauerei Jettenbach jemals von einem Storchenpaar beansprucht wird, ist nicht sicher. Die Lebensgrundlagen für einen Ableger der Haager Störche sind jedenfalls gegeben.

Vorteile der Beweidung

Solange die Fläche nur schwach beweidet wird, entsteht durch den selektiven Verbiß der Rinder ein kleinräumiges Mosaik hoher und niedriger Vegetation - ein bevorzugter Lebensraum vieler Insekten oder Reptilien. Auch viele insektenfressende Vögel bevorzugen solche Extensivweiden aufgrund des reichen -Insektenangebots zur Nahrungssuche.

Der lange geplante Aussichtsturm ist nun fertig


Die Biologin Ute Niedermeier (li) erläutert Jutta Gölkel (re) die Bildtafeln.

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