Unsere Haltung zum Bau der A 94
Allgemeine Überlegungen zum Straßenbau
Flächenverbrauch
- Es gibt genügend gute Straßenverbindungen: Das überörtliche Straßennetz der BRD umfaßt rund 228860 km (1.1.96), davon entfallen auf Autobahnen 11 190 km, auf Bundesstraßen 41 700 km, auf Staatsstraßen 86 717 km und auf Kreisstraßen 89 253 km. Dazu kommen noch ca. 413 000 km Gemeindestraßen (1993). Mit ihrer Straßennetzdichte steht die Bundesrepublik weltweit einsam an der Spitze.
- Jede neue Trasse führt zu einem erheblichen Landschaftsverbrauch. Der Flächenbedarf errechnet sich aus der Multiplikation von Trassenlänge und Regelquerschnitt. Bei einer vierspurigen Bundesautobahn nach Regelquerschnitt 29 beträgt der Flächenbedarf (direkt und indirekt) je nach Topographie ca. 8 - 14 ha für jeden Kilometer.
- Zusätzlich kommen noch die Beeinträchtigungen durch Lärm und Schadstoffemissionen, die mindestens das Doppelte des unmittelbaren Flächenbedarfs ausmachen.
Auswirkungen auf die Tier- und Pflanzenwelt
- Die direkteste Auswirkung besteht in der Zerstörung von Biotopen durch Auffüllung und Überbauung (Versiegelung): Dämme werden aufgeschüttet, Waldschneisen geschlagen, Flußufer befestigt und begradigt, Bäche verlegt oder gar verrohrt.
- Neben diesen unmittelbaren Veränderungen der Landschaft ergeben sich durch das Zerschneiden von natürlichen Lebensräumen ganz erhebliche Auswirkungen auf die Qualität der "Rest-Landschaftsteile". Gerade diese Verinselung von Biotopen, die auch durch die modernen Methoden der Landwirtschaft erreicht werden, lassen das Überleben vieler Tierarten und Pflanzengesellschaften zu einem Lotteriespiel mit bekanntem Ausgang werden: Die immer umfangreicher werdenden Roten Listen sind ein deutliches Warnsignal! Insgesamt führt der Verinselungseffekt zu einer Artenverarmung und zu einer Verschiebung des Artenspektrums.
Ausgleichs- bzw. Ersatzmaßnahmen
- Eingriffe in den Naturhaushalt bringen immer eine Art von Zerstörung. Im Naturschutzgesetz ist daher von Ersatzmaßnahmen die Rede. Wenn es nach den Planern von Großprojekten ginge, dann wäre jede Maßnahme wegen dieser Ersatzmaßnahmen ein Segen für die Natur. Ersatz eines zerstörten Landschaftsbildes ist grundsätzlich nicht möglich, denn sonst müßte ja zum Beispiel das Isental woanders neu aufgebaut werden. Grund und Boden sind jedoch nicht vermehrbar. Die meisten naturnahen Lebensräume in Bayern benötigen für ihre Entwicklung mehere Jahrhunderte, so daß ein Ersatz in einem für uns überschaubaren Zeitrahmen nicht erreicht werden kann.
- Auch Ausgleichsmaßnahmen sind nur bedingt möglich. Die Versiegelung von Bodenflächen könnte sinnvoll nur durch die "Entsiegelung" anderer Flächen ausgeglichen werden. Bestenfalls können die schlimmsten Wirkungen dadurch gemildert werden, daß im Verhältnis 1:5 Flächen der Natur zurückgegeben werden. Dies ist nur möglich, wenn intensiv genutzte landwirtschaftliche Flächen renaturiert werden. Dies wird wegen der damit verbundenen Kosten meist abgelehnt. Abgesehen davon werden in der Regel bei Ausgleichsmaßnahmen alte Ökosysteme durch andere, kurzfristig herstellbare Lebensräume ersetzt. Für die an das ursprüngliche Ökosystem angepaßten Arten bilden solche Habitate keinen Ausgleich.
Besondere Überlegungen zur geplanten Trasse der A 94
Autobahn: Ja oder Nein?
- Grundsätzlich besteht Konsens darüber, daß eine gut Verkehrsanbindung zwischen der Landeshauptstadt München und dem ostbayerischen Raum notwendig ist. Über das Wie gibt es aber unterschiedliche Standpunkte. Der Bund Naturschutz setzt sich für eine kombinierte Lösung ein: Ausbau der B 12 ab Forstinning zu einer 4-bahnigen Schnellstraße und zweigleisiger Ausbau und Elektrifizierung der Bahnstrecke München - Mühldorf - Freilassing.
Die bessere Lösung
- Gutachten haben gezeigt, daß ein Ausbau der B12 zu einer vierspurigen, kreuzungsfreien Schnellstraße möglich und für den zu erwartenden Verkehr ausreichend ist (Gehrmann). Die Landschaft wird deutlich geschont und die Ortschaften an der B12 durch die notwendigen Umfahrungen erheblich stärker entlastet als durch eine entfernt vorbeiführende Autobahn (so weiß man z.B., daß für Hohenlinden auf jeden Fall eine Umfahrung notwendig ist, die übrigens seit 14 Jahren raumgeordnet ist und sofort gebaut werden könnte, auch mit Zustimmung des BN). Die Verkehrszählungen (1995) des Straßenbauamtes Rosenheim zeigen, daß Umfahrungen auf jeden Fall nötig sind. So kommen z.B. von ca. 24000 Fahrzeugen, die Hohenlinden belasten, nur ca. 15870 in Maithenbeth an. Die Zahlen für Mühldorf am Inn, Innbrücke: ca. 29000 KFZ, Parkplatz westl. Ortsende: 15720! D. h., gut die Hälfte der KFZ bleibt in Mühldorf!
Naturschonender
- Die Fahrzeitersparnis durch eine Autobahn gegenüber der jetzigen B 12 beträgt von Altötting nach München gerade mal 15 Minuten. Man könnte auch sagen: 15 Minuten näher am Stau auf der Prinzregentenstraße. Gegenüber einer ausgebauten B12 ist der Effekt marginal. Demgegenüber steht ein Verlust von ca. 400 - 450 ha (Streckenlänge ca. 43 km) Landschaft im waldbaulich und landwirtschaftlich genutzten Isental. Aus den allgemeinen Überlegungen zum Straßenbau ergibt sich, daß dem Ausbau der B12 gegenüber der Trasse A94 im Isental immer der Vorzug zu geben ist (siehe auch Umweltverträglichkeitsprüfung Büro Schober & Partner).
Überregionale Bedeutung
- Aus den Stellungnahmen unserer östlichen Nachbarn Österreich und Tschechien geht klar hervor, daß die A94 an der deutschen Grenze zu Ende ist. Es gibt keinerlei Planungen für eine Fortführung, weder nach Linz noch nach Prag! Den Tschechen würde es auf gar keinen Fall in den Sinn kommen, quer durch Ihren Nationalpark, auf den sie genauso stolz sind wie wir auf unseren auf bayerischer Seite, eine Autobahn nach Passau zu bauen. Folglich braucht der aus diesen Regionen zu erwartende Verkehr nicht berücksichtigt zu werden: es wird ihn nicht geben.
Die Arbeitsplätze
- Eine Autobahn ist kein Garant für den Erhalt von Arbeitsplätzen. Durch die Öffnung nach dem Osten Europas beginnt der "Ferne Osten" jetzt bereits hinter Prag! Die Entwicklung der Beschäftigung zeigt, daß Gebiete ohne Autobahn (z.B. Landkreis Schongau 5.8% Arbeitslosigkeit) denen mit einer Autobahnanbindung (z.B. Passau 8,1 % Arbeitslosigkeit) nicht automatisch unterlegen sind. Für die Mobilität der Erwerbspersonen im Landkreis sind vernünftige Verkehrsverbindungen sicher von großer Bedeutung (so hat z.B. die Stadt Waldkraiburg allein ca. 4100 [1994] Auspendler und ca. 2970 Einpendler täglich! LKS: AP 11970 - EP 6045 [1995]).Die doch sehr große Zahl der Einpendler, die vorwiegend im Nahbereich ihre Wohnstätten haben, lassen es sinnvoll erscheinen, mehr Wert auf ein vernünftiges öffentliches Nahverkehrskonzept (ÖPNV) zu legen. Dieses existiert im Landkreis noch nicht einmal ansatzweise.
Unmittelbare Auswirkungen zur Entlastung
- Beim Ausbau der B 12 wird quasi jeder gebaute Kilometer sofort entlastend wirksam, d.h. die Strecke kann sofort gebaut und dann genutzt werden. Beim Neubau der Trasse A 94 muß die gesamte Strecke von ca. 43 Kilometern gesamt fertiggestellt werden. Bei einem Baubeginn nicht vor dem Jahr 2000 und einer Bauzeit von ca. 2-3 Jahren ergeben sich also ganz erhebliche Verzögerungen, die sich durch den Ausbau der B12 vermeiden ließen.
Allgemeine Überlegen zur Verkehrsentwicklung
- Wollen wir die blumigen Worte und Resolutionen der Konferenz von Rio und der Nachfolgeveranstaltungen ernst nehmen (Agenda 21), so muß der Vermeidung von KFZ-Verkehr oberste Priorität eingeräumt werden. Zur Vermeidung bzw. Verminderung der CO2 - Belastung aus dem Kfz-Verkehr sind nur zwei Maßnahmen sofort wirksam:
- Die Einführung allgemeiner Geschwindigkeitsbegrenzungen und
- die massive Verlagerung auf die Schiene.
- Straßenbau wirkt diesen Zielen entgegen. "Wer Straßen sät, wird Verkehr ernten" (Prof. Knoflacher, TU Wien, in : Katalysator für Nichtmotorisierte).
- In der Bundesrepublik sind derzeit (7/96) ca. 48 Millionen Kraftfahrzeuge zugelassen, davon allein ca. 41 Millionen PKW! Tendenz steigend. Durch Schnell- und Mehrfahren wurden bislang alle Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung (z.B. Drei-Wege-Kat) weitgehend zunichte gemacht. Bis technische Entwicklungen wie beispielsweise der 3-Liter-Motor oder Wasserstoff-Motore zu einer spürbaren Entlastung beitragen können, bleibt die Luft, die wir eigentlich zum Atmen brauchen, eine Müllkippe für Autoabgase. Smog im Winterhalbjahr und steigende Ozonbelastungen im Sommer sind die Auswirkungen.
- Die amtliche Verkehrspolitik ist weit davon entfernt, wirkliche Verkehrskonzepte zu entwickeln und umzusetzen. Der Bundesverkehrswegeplan für den überregionalen Straßenbau, der alle 5 Jahre fortgeschrieben wird, reagiert lediglich auf das prognostizierte Verkehrsaufkommen. Allein aus dieser Konstellation ergibt sich eine ständige Überbewertung des Straßenverkehrs, die ihren Ausfluß dann in den entsprechenden Mittelvergaben findet. Dagegen könnte man durch eine andere Gewichtung bei der Mittelvergabe die Verkehrsströme beeinflussen und steuern.
- Ein weiteres Ungleichgewicht zwischen Schiene und Straße ensteht durch den an sich sinnvollen Zwang, bei allen Schienenprojekten sogenannte Kosten/Nutzen-Analysen durchzuführen. Würde man diese strengen Kriterien, die für die Bahn gelten, auch für den Bau von Straßen einführen, so würde ein großer Teil aller Staats-, Kreis- und Gemeindestraßen nie gebaut werden.
Bund Naturschutz im Landkreis Mühldorf